Ereignishorizont Digitalisierung - Landwirtschaft

Die Digitalisierung der Landwirtschaft

Die Digitalisierung trifft und verändert viele Berufsbilder. Auch die Landwirtschaft ist mit gravierenden Veränderungen konfrontiert. Tatsächlich wird die Digitalisierung gerade für Landwirte zu einem erfolgskritischen Faktor, um die Produktivität zu verbessern und damit wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies gilt für konventionell wirtschaftende Bauern genauso wie für Öko-Landwirte. Die Hoffnungen in die Digitalisierung sind dabei groß. Eine repräsentative Befragung des Digitalverbands Bitkom und des Deutschen Bauernverbands (DBV)zeigt beispielsweise, dass mehr als die Hälfte (55 Prozent) der über 500 befragten Landwirte überzeugt ist, dass digitale Lösungen das Tierwohl steigern. In der Pressemeldung zur Umfrage heißt es weiter: „Mit einer digital gestützten und auf das einzelne Tier abgestimmten Fütterung versorgt heute schon jeder zweite Viehwirt (51 Prozent) seine Tiere. Fütterungsautomaten sichern eine alters- und leistungsoptimierte Ernährung des einzelnen Nutztieres und alarmieren den Landwirt, wenn es bei der Fütterung Probleme gibt. So werden zum Beispiel kranke Tiere, die zu wenig fressen, sofort erkannt. Tierspezifische Daten, etwa zur Bewegung, zum Fressverhalten oder zur Aktivität, können mittlerweile mit einer Vielzahl von Sensoren erfasst werden: Diese nutzen 25 Prozent aller Tierwirte, weitere 11 Prozent planen den Einsatz. […] Roboter sind bei 8 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe im Einsatz, vor allem in der Tierhaltung: 12 Prozent setzen auf die Robotertechnik, mit der zum Beispiel der Stall gesäubert oder das Melken tiergerechter durchgeführt werden kann.“ Weitere Ergebnisse aus der spannenden Befragung sind hier verfügbar.

Im Mittelpunkt bei der Digitalisierung der Landwirtschaft steht die digitale Unterstützung von betrieblichen Abläufen auf dem Hof, insbesondere bei der Bewirtschaftung von Feldern und der Haltung von Nutztieren. Laut der Unternehmensberatung Roland Berger zufolge könnte der Bauernhof des 21. Jahrhunderts seinen Ertrag mithilfe der Algorithmen […] verdoppeln.“ Der Mensch spielt dabei eine immer kleinere Rolle. 

Daten, Daten, Daten

Klar im Fokus der Digitalisierung der Landwirtschaft steht die datengetriebene Optimierung von betrieblichen Abläufen auf dem Hof. Ziel ist es zu verstehen, warum ein Jahr besser oder schlechter war als ein anderes Jahr.

Eine Vielzahl von Wetter- und Erdbeobachtungsdaten ermöglicht ein präzises und räumlich hochaufgelöstes Monitoring der eigenen Felder und Fluren. So können die Trockenheit bzw. Feuchtigkeit, Temperaturen, ph-Werte oder Nährstoffzusammensetzungen des Bodens heute mit Hilfe von Sensoren in Echtzeit sehr genau gemessen werden. Werden Wetter- und Erdbeobachtungsdaten zusätzlich mit Pflanzenwachstumsmodellen gekoppelt kann das Wachstum von Pflanzen in Echtzeit erfasst und gesteuert werden – beispielsweise über intelligente Bewässerungs- oder Düngersysteme.  

Auch im Stall fallen heute eine Vielzahl an Daten an. Im Mittelpunkt stehen dabei komplexe biologische Daten, insbesondere Vitaldaten von Tieren, wie z. B. Blut- und Laborwerte oder Fütterungsdaten. So lassen sich z. B. Frühwarnsysteme entwickeln, die einen Alarm auf das Smartphone oder Tablet des Landwirts senden, wenn die Vitaldaten eines Tiers auffällig sind.

Einige weitere Anwendungsfelder digitaler Lösungen nachfolgend im Überblick: 

Precision Farming

Der Begriff Precision Farming(oder auch Smart Farming) bezeichnet die ortsdifferenzierte, zielgerichtete Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen. Das heißt: Die Bewirtschaftung von Boden erfolgt abhängig von seiner Beschaffenheit und Charakteristik – und dies sehr feingranular und damit sehr präzise. Man spricht deswegen im Deutschen auch vom „Präzisionsackerbau“. Bestellt wird – überspitzt formuliert – also nicht mehr ein großes Feld als Ganzes, sondern jeder Quadratmeter individuell. 

Möglich wird das durch intelligente Maschinen, deren exakte Position auf Flurstücken erfasst wird. Die Maschinen wiederum erfassen und dokumentieren bestimmte Daten (Feuchtigkeit, Temperatur, Lichtintensität, Nährstoffzusammensetzung) schon während der Arbeit auf dem Feld. Die erfassten Daten werden dann – unter Umständen sogar in Echtzeit – ausgewertet und bei der Bodenbewirtschaftung berücksichtigt, z. B. bei der Düngung oder Bewässerung. 

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Video: The Future of Farming & Agriculture.

Digitale Silos und Getreidespeicher

Ein weiteres Beispiel dafür, wie die Digitalisierung die Landwirtschaft verändert sind intelligente Silos, z. B. für Getreide. Verschiedene Unternehmen bieten mittlerweile Lösungen für intelligente Silos und Getreidespeicher. Mit Sensoren in einem Silo wird exakt festgestellt, ob innerhalb eines Silos die idealen Umweltbedingungen, z. B. was Luftfeuchtigkeit oder Wärme anbelangt, vorherrschen. Ist dies nicht der Fall, werden ggf. automatisch entsprechende Anpassungen vorgenommen. 

Kuhstall 4.0 – Digitalisierte Nutztierhaltung

Auch in der Nutztierhaltung im Stall haben digitale Lösungen Einzug gehalten. Beispielsweise lässt sich die Fütterung von Tieren genau wie die tierspezifische Zusammensetzung des bereitgestellten Futters. In einigen Ställen werden sogar Kamerasystemeeingesetzt, um das Wachstum von Tieren messen und den richtigen Schlachtzeitpunkt bestimmen zu können. Anhand von Bewegungsmustern kann auch erkannt werden, ob Tiere trächtig oder krank sind.

Wettlauf um die Daten

Mit der Digitalisierung der Landwirtschaft und der Fokussierung auf die Nutzung von Daten sind aber auch völlig neue und durchaus kritisch zu bewertende Entwicklungen zu beobachten. Im kritischen Agrarbericht 2018 heißt es beispielsweise: „Im gesamten Agrar- und Ernährungssektor ist ein von den Staaten und der Zivilgesellschaft noch viel zu wenig beachtetes Wettrennen ausgebrochen, um die digitalen Informationsschlüsselpunkte zu besetzen und über Patente oder geistige Eigentumsrechte im Sinne der Konzerne zu schützen. So sind insbesondere auch Landmaschinenhersteller wie John Deere in diesem Bereich der Erfassung und exklusiven Vermarktung von Daten, die früher bäuerliches Wissen waren, aktiv. Gegenüber einem Konzern wie Bayer-Monsanto haben diese den entscheidenden Vorteil, dass sie die Maschinen produzieren, die die betreffenden Daten während der Aussaat, dem Ausbringen von Dünger und Pestiziden und bei der Ernte über Sensoren präzise erfassen. Ein Vorgeschmack, zu welchen Abhängigkeiten dies führen kann, zeigt sich vielen Bäuerinnen und Bauern schon heute, wenn eine der ultramodernen Landmaschinen einmal defekt ist. Ohne die IT-Abteilung des Herstellers der Maschine geht nichts mehr. Eine eigene Reparatur der Maschinen wie früher ist nicht mehr möglich.

Problematisch ist auch, dass gerade kleine Betriebe sicherlich die berechtigte Sorge haben, Investitionen in digitale, intelligente Landmaschinen nicht stemmen zu können. Der Ausweg liegt in einer engen Kooperation von Landwirten, beispielsweise bei der Beschaffung von Hightech-Traktoren oder Erntemaschinen. Das Problem: Das ist einfacher gesagt als getan! Und wenn dann angeblich intelligente Maschinen verschiedener Hersteller nicht mal miteinander gekoppelt werden können, ist die Begeisterung ganz schnell wieder verflogen!  

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Video: Digitale Landwirtschaft – Hightech auf dem Acker.

Tatsächlich ist zwischenzeitlich viel Skepsis und Ernüchterung bei Landwirten zu beobachten. Verständlich angesichts großer technologischer Hürden und zunehmend negativer Erfahrungsberichte. So sagte Michael Horsch, Geschäftsführer der Horsch Maschinen GmbH, beim Farm & Food Kongress 4.0 Anfang 2019 in Berlin: „Betriebe mit den höchsten Reinerträgen haben ein Minimum an Digitalisierung.“ 

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